2.–18.6.
Kornspeicher und Inspektorhaus
beim Novalis-Museum Wiederstedt
Mein
Schatz

Dendriten

DE 2023
Schäfergasse 6 Kornspeicher 06456 Arnstein, OT Wiederstedt

Geschärft und zugleich spekulativ verzerrt von einer Kombination aus gegenwartsanalytischer und künstlerischer Sensibilität ist Juliane Henrichs Blick auf das Mansfelder Land. In der Abwesenheit des Bergbaus sieht sie die Anwesenheit des Data-Mining, das die Verhaltensweisen der Benutzer:innen elektronischer Geräte zu Erzadern und die Datenspeicher zu Minen macht. In der Abwesenheit der Kupferverarbeitung sieht sie die Anwesenheit der Verdrahtung von elektronischen Geräten aus denselben edlen Metallen. Die Frage, ob es einen guten Bergbau geben kann, die sich heute nicht weniger dringlich stellt als zu Zeiten von Novalis, hat in der digitalen Kultur eine zusätzliche Dimension bekommen. Der frühromantische Dichter verarbeitete seine Erfahrungen als Bergbau-Ingenieur in literarischer Form. In den hinterlassenen Gedichten, Prosatexten und Fragmenten beschwört er eine ästhetische, emotional verbundene und von höheren Werten geleitete Naturauffassung, die jene ungehemmte Ausbeutung der Bodenschätze nicht zulässt, der er durch seine berufliche Praxis selbst Vorschub leistete. Für ihre Arbeit Dendriten, die für Mein Schatz entstanden ist, ließ Juliane Henrich einige seiner Textfragmente von einer künstlichen Intelligenz vervollständigen. Dies kombiniert sie in ihrer Mehrkanal-Videoinstallation mit Aufnahmen von Minen und Halden sowie der Verbildlichung einer Schlüsselszene aus dem Romanfragment Heinrich von Ofterdingen von Novalis, die sie mithilfe eines Bildergenerierungsprogramms herstellte und Bewegtbild-Fundstücken aus dem Internet, des größten öffentlichen Schauplatzes der Datenextraktion. 

Als Dendriten bezeichnet man die zweigförmigen Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn. In künstlichen neuronalen Netzen wird diese Struktur imitiert. Auch Kristalle wachsen in Dendritenform.